Journal

Corona Tagebuch, Woche zwölf: Das Ende der ersten Welle

Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen und zu sehen, was sich verändert hat. Und dank welcher Menschen man nicht den Verstand verloren hat.

Berlin. In dieser Woche habe ich Bilanz gezogen. Die vergangenen drei Monate haben mich verändert. Das lag vor allem an einer Tatsache, die ich bisher verschwiegen habe, weil sie mir auch ein bisschen peinlich ist – und weil ich sicher bin, dass meine Lektorin das hier auch liest. Corona hat dafür gesorgt, dass ich so viel geschrieben habe wie noch nie zuvor. Ich bin sozusagen „fremdgegangen“: Wenn ich meine Tagesarbeit für die Zeitung beendet hatte, habe ich noch an meinem Buch geschrieben, zumindest sehr oft. Ich hätte es vor der Corona-Pandemie fertig haben müssen, aber ich… – könnte jetzt irgendwas von Schreibkrise erzählen, aber das klingt nach Ausrede, und vielleicht ist es das auch…

“Die (vorerst) letzte Folge des Corona-Tagebuchs und vielleicht die persönlichste von allen. Es geht um Krisen, Einsamkeit und den Wert von Freundschaft sowie den Rückhalt von Familie. Und um ein Virus, das Menschen auseinander treiben wollte und nebenbei andere miteinander bekannt gemacht hat. Bin ab morgen im Urlaub und wo — das geht Euch gar nix an. Danke an Christian Y. Schmidt für die wöchentlichen kenntnisreichen Updates und Felix Müller für den ongoing support sowie die panischen Anrufe zur richtigen Zeit. 🙂 Passt (please!) auf Euch auf.

Interview mit Spiegel-Online

Im Interview mit Spiegel-Online durfte ich auch meine Lieblingsfrage beantworten, die nach dem koreanischen Weltschmerz, dem “Han”.

Hier ein Auszug:

SPIEGEL ONLINE: Ein anderer Begriff, der viel über Korea erklärt, ist Han – man könne daran sterben, heißt es. Was bedeutet Han?

Kittel: Han ist eine traurige Grundstimmung, übersetzbar vielleicht mit “Weltschmerz”, fühlbar nur als Koreaner. Es wird auch beschrieben als eine Trauer, die sich nicht auflöst, eine Rache, die man niemals nehmen kann, oder wie ein Knoten im Herzen. Han-Filme zum Beispiel sind unglaublich trist, erfüllt von großer Traurigkeit.

SPIEGEL ONLINE: Woher kommt diese Art Nationaltrauer?

Kittel: Das Volk der Koreaner musste viel erleiden: Zum Beispiel wurde Korea 900-mal von Nachbarländern überfallen, zur Kolonialzeit bis 1945 wollten die Japaner die koreanische Sprache abschaffen, der Antrag auf Selbstständigkeit wurde von der Friedenskonferenz 1905 in Den Haag abgelehnt – eine unglaubliche Demütigung. Auch die Trennung ist ja nicht selbstverschuldet, die wurde den Koreanern von den Westmächten und China aufgedrückt. Die Koreaner sagen immer noch: “Wir sind der Shrimp zwischen den Walen” – also zwischen Japan und China.

SPIEGEL ONLINE: Han und die hierarchisch geprägte Gesellschaft wirken ja sehr gegensätzlich zu den bonbonbunten K-Pop-Videos und Soaps, die Korea in die ganze Welt exportiert – wie kann das sein?

Kittel: Alles gibt es gleichzeitig. Unter der Diskrepanz zwischen Tradition und der modernen Welt leidet auch die junge Generation, die ja viel reist und viel sieht. Zuhause küssen die Koreaner die Hand des Großvaters, und in der Firma müssen sie sich jede Entscheidung von oben absegnen lassen. Das hemmt unglaublich.

Das ganze Interview auf Spiegel-Online: