Corona-Tagebuch: Teil 7

Sören Kittel, auf seinem Balkon

Berlin. In dieser Woche kam zum Glück etwas Hoffnung zurück, dass dieses Leben nicht noch Jahre so weitergehen wird. Die Vorfreude auf ein Ende der „Maßnahmen“ wurde fast überlebenswichtig. Wenn einem fast jeder Fernsehsender per Dauereinblendung das Zuhausebleiben empfiehlt und sogar mein Mobilfunkbetreiber dafür sorgt, dass links oben die ganze Zeit die gleiche Empfehlung anstatt „T-online“ angezeigt wird, ist es auch irgendwann mal gut. Schon kapiert!

Montag. Morgens läuft im Radio dieser Song von „Wir sind Helden“: „Guten Tag, guten Tag, ich will mein Leben zurück.“ Ich rasiere mich und muss lächeln. Sitzen da jetzt in den Musikredaktionen Leute, die sich die ganze Zeit überlegen, welche Lieder in diesen Zeiten eine andere Bedeutung haben?

Ostermontag ist ohne Familie irgendwie auch wie jeder andere Tag. Ich habe zwei Pakete zeitgleich verschickt. Zugegeben: Mittwoch vor Ostern war sportlich geplant – aber warum erreicht das eine Paket Hannover bis Sonnabend und braucht bis Bernau fast eine Woche? Meine Familie hat Bilder von der Ostereiersuche geschickt, mein zehnjähriger Neffe zeigt darauf traurig seinen Osterkorb in die Kamera. Traurig, weil er nur so wenig gefunden hat, oder weil dieses Ostern so anders ist?

Am Nachmittag telefoniere ich mit einem Freund in Brasilien. Er wohnt in Rio de Janeiro, an der Stelle, wo die beiden Strände Copacabana und Ipanema in einem rechten Winkel aufeinandertreffen. Er sagt, er joggt jeden Morgen am Wasser. Alles sei fast leer, obwohl der Präsident Jair Bolsonaro die Krankheit als „Gripezinha“ bezeichnet – ein „Grippchen“. Mein Freund will vorerst dort weiter wohnen bleiben. Er liest viel, im Sommer wollte er seinen Geburtstag in Berlin feiern. Wir verabschieden uns mit diesem ungewissen Gefühl, dass es jetzt noch zu früh für irgendwelche Pläne ist.

Infizierte in Berlin: 4667. Tote: 56.