Eine Muslimin und ein Protestant auf dem Jakobsweg

Foto: Jörg Steinert

Berlin. Das Aufstehen ist ein Problem. Jörg Steinert ist gern morgens schon um 6 Uhr wach und würde nach einem kurzen Frühstück am liebsten sofort loslaufen. Während Seyran Ates eher noch etwas schlafen, dann ihr Büro in Berlin kontaktieren und dann ihre Blasen an den Füßen etwas schonen würde. „Jeden Tag ist da eine neue Blase bei ihr“, sagt Jörg Steinert. Und Seyran Ates kontert: „Dafür bist du unsere Prinzessin aus Preußen.“ Alles müsse Zack zack gehen bei ihm.

Die beiden Berliner haben sich in den vergangenen Wochen zusammengerauft, sie sind das Kernteam einer kleinen Reisegruppe, die sich vor einem Monat aufgemacht hat auf eine Pilgerreise in Richtung Süden. Der eine ist der Noch-Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbands, die andere ist Menschenrechtsanwältin und Vorsitzende einer liberalen muslimischen Gemeinde mit dem Namen „Ibn Ruschd-Goethe“.

Jörg Steinert ist den Jakobsweg schon mehrfach gelaufen. Für Seyran Ates, die wegen Drohungen von radikalen Muslimen unter Personenschutz steht, ist es nicht das erste Mal, dass sie sich für mehrere Wochen auf solch eine Reise begibt. Sie hatte Steinert schon einmal auf einer Strecke des Jakobswegs in Frankreich begleitet.

„Als liberale Muslimin kann ich nicht nach Mekka pilgern“, sagt Ates, „aber ich wollte auf einem spirituellen Weg laufen.“ Nach Santiago de Compostela in Spanien sind es rund 3000 Kilometer, aber die beiden wollen den deutschen Teil des Jakobsweges kennenlernen: Brandenburg, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Baden-Württemberg. „Wir laufen durch verschiedene Bundesländer“, sagt sie, „von denen einige nicht unbedingt bekannt dafür sind, freundlich zu Ausländern oder überhaupt Fremden zu sein.“ Sie habe auch schon Grundstücke mit der Reichsflagge gesehen. „Aber mehrheitlich werden wir mit einem Lächeln begrüßt.“